Die Wellküren: hinterfotzig, frivol und gnadenlos gut

Main Post / Thomas Häckler

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Main Post vom 21.07.2014

Die Wellküren lästern schon seit mehr als 28 Jahren auf den Kabarettbühnen des Landes und geben im besten „Boarisch“ eine Breitseite nach der anderen ab. Die drei Frauen aus der bekannten Musikerfamilie Well machen dabei auch keinen Halt vor Regierung oder Kirche, sind aber niemals beleidigend, sondern zeigen eine Art von Humor, den nur wenige besitzen.

Mit ihrem neuen Programm „Herz sticht“ haben sich die drei Bayern-Amazonen Zeit gelassen, um es auf den Punkt perfekt zu zelebrieren. Kinder und Männer sind aus dem Haus, jetzt war es an der Zeit, einen Neubeginn zu veranstalten, der in Stockheim seinen Beginn nahm – oder war es doch woanders? Letztendlich ist es egal, denn wo die Wellküren auftreten, bleibt kein Auge trocken.

Mit Harfe, Harmonika, Schlagbrett, Nonnentrompete, Tuba oder Saxofon, von den knapp 180 Zuhörern im Gemeindesaal in Stockheim wurden die drei Schwestern Moni, Burgi und Bärbi frenetisch gefeiert und für ihre „feinfühligen“ Seitenschläge zwischen den Zeilen mit viel Applaus bedacht. Sie selbst sagen von sich, dass sie für die weibliche Synthese aus Volksmusik und Kabarett stehen. Man kann ruhig noch einen Schritt weitergehen und sie als Verkörperung dieser einzigartigen Verbindung betiteln.

Nachdem der Ausflug der Familie Well in die Welt der Politik nach hinten losgegangen ist – „Bayern ist noch nicht so weit für einen Wechsel“ – und die Enttäuschung den drei Vollblutmusikerinnen immer noch anzumerken ist, widmen sich die Schwestern erneut den feinfühligen Nuancen der bayerischen Dichtkunst. Wolfgang Klösel und sein Team hatten die Wellküren bereits zum sechsten Mal zu den Rhöner Kultur- und Oldtimertagen eingeladen und erneut einen kurzlebigen Abend anbieten können, der gespickt mit spitzem Humor war.

Die Gluthitze am Wochenende machte auch nicht vor Stockheim Halt, und auch die Klimaanlage in Form von geöffneten Fenstern brachte keine Abkühlung. Das lag zum großen Teil am Einsatz der bayerischen Musikerinnen, die ihre Instrumente zum Glühen brachten. Mit einem magischen Well-Putztuch gingen die Wellküren gegen den Schweiß an, der an diesem Abend in Strömen floss, vor allem auf der Bühne.

Je später der Abend voranschritt, desto spitzer wurden die Zungen des Trios. Alles war eine Mischung aus den besten Tugenden, die den Bayern nachgesagt werden. Intrigant, hinterfotzig, gerissen, frivol, gnadenlos und geradeheraus. Davon gab es reichlich in alle Richtungen, die traditionell einen hohen Stellenwert im Freistaat haben. Schließlich haben die drei Frauen auch dafür gesorgt, dass die Olympiade nicht nach München, Garmisch, Traunstein und Berchtesgaden kam. Eben weil sie ehrlich und von Herzen Konzerte in den Städten gehalten haben. So oder so ähnlich haben es die drei in ihrer Muttersprache jedenfalls verkündet.

Ein Exkurs nach Amerika zur künftigen amerikanischen Präsidentin Hillary Clinton endete mit einem cholerischen Anfall, der schnell mit Globuli behandelt wurde und die vielen Gesichter der Geschwister Well zum Vorschein brachte.

Mit Gstanzeln, einer bayerischen Liedform, die als Spottgesang ausgelegt ist, vollendeten die drei Grazien die Perfektion des bayerischen Lästerns über Staat und Kleriker. Punktgenaue Seitenhiebe auf hormonelle Demenz, emanzipierte Schwarzgeldaffären und vor allem die Männerwelt – „Männer im Wechsel sind das Letzte, was wir Frauen wollen, also, haut sie raus“ – sorgten für viele Lacher im Publikum, Letzteres vor allem bei den Frauen. Gute Miene zum bösen Spiel machte dabei das vermeintlich starke Geschlecht, das ganz schön einstecken musste. Facettenreich das Wechseln der Instrumente, die einschneidenden und eindringlichen dreistimmigen Sätze und vor allem die feine Ironie, die zwischen den Noten versteckt war. Ein toller Abend mit den drei Wellküren, deren Ohrwürmer den Gästen noch lange im Kopf herumschwirrten.

von Thomas Hälker

 

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