Da wird der Hund zum Hengst

Witzige Wellness mit den Wellküren: In Hof intonieren drei deftige „Deandln“ der gehobenen Altersklasse „Stubenmusi gegen die Idiotisierung des Abendlandes“.

Foto: Harald Dietz / Frankenpost

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Hof Was wohl ist schlimmer: „Zehn Jahre Helene Fischer, zwanzig Jahre Andrea Berg – oder dreißig Jahre Wellküren?“ Dem Publikum fällt die Entscheidung leicht: Per Akklamation, reichlich applaudierend also und mit viel herzhaften Gelächter, küren die 150 Besucher der Bürgergesellschaft die Wellküren zur Nummer eins und lassen die Schlagertussis alt aussehen.

Das Thema Alter spielte auch am Donnerstagabend eine Rolle. „30 Jahre Wellküren“ heißt die Jubiläumstour, zu der die Damen vor gut einem Jahr aufbrachen, um jetzt in Hof Station zu machen. 1986 schlossen sich drei Mädels aus der 17-köpfigen Musikerfamilie Well aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck ebenso sangesfroh wie satirisch offensiv zum Trio zusammen. Jung und knusprig waren sie damals. Heute sind sie zwar Mütter und Großmütter, knusprig aber sind sie nach wie vor: die temperamentvolle Moni, Burgi, in sich ruhend, die ein bisschen gschamige Tubabläserin Bärbi mit der Rocktasche voller Globuli. Die wirken als Wunderwaffe gegen alle Widrigkeiten: Bei den Wells ist „Wellness“ angesagt.

Vor dreißig Jahren war Andrea Berg erst zwanzig und Helene Fischer zwei. Die Well-Schwestern aber, so versichern sie mit furioser Treuherzigkeit, ließen damals schon nichts unversucht, um ihr Bayernland vorm Untergang zu retten. Wackersdorf, das Waldsterben und den Wahnsinns-Strauß haben sie „verhindert“. Jetzt will jede von ihnen „mei Ruah“. Aber die Zeitläufte stehen dagegen. Moni, die sich „nicht mehr aufregen“ mag, regt sich schallend auf wegen Söder, Seehofer, Trump: Denen würde sie am liebsten „eine Fotzn neihaun, dass es staubt“. Und erst diese Frauke von der AfD: „Es gibt Frauen mit Haaren auf den Zähnen. Bei der Petry hat jeder Zahn eine eigene Frisur.“ Darum rufen sie zur Gegenbewegung auf: Stugida heißt sie – „Stubenmusi gegen die Idiotisierung des Abendlandes“.

Man sieht: Weniger differenziert als deftig gehen die drei Hausfrauen und Haudraufs vor, die rhetorisch nicht dünnlippig die Feinstricknadel, sondern gehörig großmäulig die Mistgabel bevorzugen. Mit der wird bekanntlich auf dem Land aufgeräumt; entsprechend bodenständig stehen die „Powerfrauen aus Oberschweinbach“ zu ihrer oberbayerischen Heimat, geräuschvoll in Wort und Ton. Das Wort führt Moni ohne zu ermüden, ihrer „verbalen Inkontinenz“ sei Dank. Aber auch die andern beiden „Veteraninnen der Emanzipation“ geben ihren süßen Senf dazu. In breiter Mundart ziehen sie über die Männer und deren „hormonelle Demenz“ her; wie „a oida Stier“ sind die Knacker „hinter jeder Kuh her“, weil „das Testosteron aufs Hirn druckt“: „Da wird der Hund zum Hengst.“ Dergleichen ist, um im Bild zu bleiben, zum Wiehern.

Was die Musik zum Wort betrifft, so erstaunen die kratzbürstigen Grazien durch instrumentale Vielseitigkeit. Gedämpftes Saitenspiel – Harfe, Gitarre, Hackbrett – pimpen sie aus krähenden Kehlen mit unverzagten Versen auf: „I lass koa Silikon in meine Brust / bloß zweng am Sepp seine unanständige Lust.“ Thematisch, klagen sie, möchte die traditionelle Volksmusik sie als Frauen auf „Fensterln und Marienlieder“ einschränken. Aber sie halten sich nicht dran. Ein Melodien-Potpourri lassen sie in die Bayernhymne münden (wobei das Publikum sich brav erhebt). Oder Burgi bekennt, „ein guter Verlierer“ zu sein: Sechs ihrer Gitarren, dazu den Verstand, ihr Herz und jedenfalls ihre Unschuld hat sie schon verloren. Dem Kinderlied vom „Kuckuck“ kleben sie artistisch einen Wechselgesang à la „Simsalabimbambasaladusaladim“ an. Und auf drei kuriosen „Nonnentrompeten“ lassen sie nicht nur „La Paloma“ wimmern, sondern auch, während eines „Stubenmusicals“, das „Lied vom Tod“.

Umso lebendiger stellen sie ein naives Gschau zur Schau, das ihre verwegene Durchtriebenheit, statt sie zu tarnen, erst vollends zu erkennen gibt. Seit dreißig Jahren lächeln und lachen die Wellküren, als könnten sie kein Wässerchen trüben; dabei sind sie mit allen Wassern gewaschen. Und, alle Achtung, fesche Frauenzimmer, das sind sie nach wie vor: Ein Schönheitswässerchen war auch dabei. Michael Thumser

 

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Eine Antwort zu “Da wird der Hund zum Hengst”

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