Bayern-Punk mit Hackbrett und Harfe
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Mannheimer Morgen vom 13. November 2018:
Die Wellküren begeisterten mit kantigen Klängen und launigen Texten
Bensheim. „Der Strauß hat uns ein paar Mal gehört, dann ist er gestorben. An Seehofer arbeiten wir noch!“ Dass der – körperlich quicklebendige – CSU-Vorsitzende nur 48 Stunden nach dem Auftritt der Wellküren im Musiktheater Rex seinen Rückzug als Parteichef in Aussicht gestellt hat, könnte ein Zufall sein … Sie sind noch politischer geworden, die Well-Schwestern, die ebenso wie ihre männlichen Verwandten aus Biermoos (Biermösl Blosn, Geschwister Well), mit denen sie familiär wie künstlerisch eng verbandelt sind, kein Blatt vor den Mund nehmen. Dobrindt? Abwatschen! Söder? Sowieso! Alice Weidel? „Manche haben Haare auf den Zähnen – bei der hat jeder Zahn eine eigene Frisur.“ … Der Titel der musikalischen Revue „Abendlandler“ verweist schon auf die Marschrichtung: eine dunkel-dämmernde Rückfall-Nation aus denkfaulen Wutbürgern, selbst ernannten Heimatrettern und stumpfen Populisten.
Kluges Kabarett
Dagegen haben die Wellküren Bärbi, Burgi und die (verbal muskulöseste) Moni die STUGIDA-Bewegung gegründet: Stubenmusik gegen die Idiotisierung des Abendlandes. Es scheint zu wirken … Gepflegte Stubenmusi mit rotziger Punk-Attitüde. Gegen Wutausbrüche werden Globuli gereicht … Klanglicher Höhepunkt ist ein Trio für Nonnentrompeten, auch Trumscheit genannt. Früher sei das schnarrende Objekt oft von Nonnen gespielt worden, weil die keine Blasinstrumente bedienen durften, lautet die Erklärung. „Auf Matrosen, ohe“ wird im Rex regelrecht in die Luft gesägt, allerdings mit einer filigranen Laubsäge in souveräner Künstlerhand. Nach über 30 Bühnenjahren sind die Musikantenkinder (drei aus 15) lässiger, kraftvoller und scharfkantiger denn je.
Leitkulturmarsch und Mozart
„Allahu Akbar hoaßt bei uns Griaß Gott! Und scheene Jungfraun gibt‘s bei uns schon vor dem Tod“, heißt es im „Leitkulturmarsch“. Als Kontrast gibt es Mozarts Klaviersonate in A-Dur und ein energischer Sangesappell nach ein wenig mehr Kontemplation angesichts des laut-trivialen TV-Geschreis („I wui endlich mei Ruah!“). „I bin a guada Verlierer“ singen die Wellküren zu einem Song, halb Tango, halb Walzer. „Auf einem Baum ein Kuckuck saß“ wird zu einer mehrstimmigen, stilistisch vielfarbigen Klang-Collage ausgebaut, die das hohe musikalische Gespür und die innere Harmonie der Schwestern spiegelt … Die Wellküren können eigentlich alles. Und das richtig gut. Für STUGIDA wären in Bensheim am Freitag sicher viele auf die Straße gegangen.
von Thomas Tritsch
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