Wellküren spielen Aichachern das Lied vom Tod

Augsburger Allgemeine

Zum 30. Bühnenjubiläum singen, spielen und lästern die Wellküren im Pfarrzentrum, was das Zeug hält. Über sich, die bayerische Politik und über den Saal.  Von Vicky Jeanty

Foto: Vicky Jeanty

Foto: Vicky Jeanty / Augsburger Allgemeine

 

High Noon im Aichacher Pfarrzentrum: Schräg stöhnt die Solo-Seite der Nonnentrompete auf, hart gezupfte Harfenklänge klingen hinterher, dumpfe Schläge auf der Gitarre begleiten das Geschehen. Das „Stubenmusical“ als Drama in drei Akten orientiert sich am Soundtrack von „Spiel mir das Lied vom Tod“ und endet, wie im Original, mit dem Heldentod der Protagonisten. Die Wellküren Bärbi, Burgi und Moni haben die bayerische Politprominenz wie Horst Seehofer und seinen Möchtegern-Nachfolger Söder zu Fall gebracht. Mit deftiger Verbalsatire und viel köstlicher, umgemodelter Stubenmusik. Einer von vielen Höhepunkten bei ihrem umjubelten Auftritt am Samstagabend.

Die Damen sind „natürlich“ gealtert in den vergangenen 30 Jahren. Leicht ergraut, aber ohne ein Gramm zu viel. „Mir passen noch überall nei“, sagen sie. Das sieht man. Doch von ihrer Bissigkeit haben sie nichts verloren. Genüsslich erzählt Moni, was ein Zuhörer ihr einst nach einer Veranstaltung an den Kopf warf: Sie und ihre Schwestern müsse man glatt zweimal erschlagen – erst sie selbst und dann ihr Mundwerk.

„Die drei Veteraninnen der bayerischen Emanzipation“ zählen grinsend Erfolge auf, die auf ihre Kappe gehen: Paragraf 218, Wackersdorf, Waldsterben, Strauß und Co… „Wir brennen noch“, sagen sie. Ein Segen – angesichts der hereinbrechenden Hiobsbotschaften: Söder schlägt auf dem politischen Parkett auf, der postfaktische Populismus des wankelmütigen Horst I. schlägt Wellen, Obergrenze und Grenzmauern, Flüchtlingsproblematik. Le Pen, Pegida, Frauke Petry und das „Wir-sind-das-Volk-Geschrei“ bei den Aufmärschen der Pegida in Ostdeutschland, die sich damit den Ruf der Montagsdemonstranten vor der Wendezeit unter anderen Vorzeichen zu eigen gemacht hat. „Wenn’s so weit kommt, dass die bei uns das Volk werden, werd’ i Flüchtling“, orakelt Moni. „Petry Heil“ – nein, danke!

Mit Stubenmusik gegen die Idiotisierung des Abendlandes

Dann lieber mit „Stugida“ (Stubenmusi gegen die Idiotisierung des Abendlandes): „Es muss wieder was getan werden für die Demokratie.“ Ausdrücklich mit Hilfe all derer, die sie eingangs im Dreigesang mit „Griaß eng Gott“ begrüßt haben: Elektrobiker und Schneckenmörder, Pazifisten und Protestanten samt Laktoseintoleranten. Das Terrain in Aichach sei besonders förderlich: Hier lebten die guten Leute und die allerbesten Autofahrer. Weil sie grade beim Lästern waren, bekam auch gleich das Aichacher Pfarrzentrum sein Fett weg: Der Saal sei wirklich gar zu schön, frotzelten die drei. Und die aufwendige Deko erst…

Bei ihren Seitenhieben lassen die Damen sich selbst nicht aus: Burgis fatale Passion ist das Verlieren, Bärbi ist eine fanatische Globuli-Verabreicherin, Moni eine exaltierte Dauerrednerin mit verbaler Inkontinenz. Früher hätten sie von Bergen und Wiesen und vom Fensterln gesungen. Aber jetzt, Jahrzehnte später, habe es sich ausgefensterlt: „Kommt doch keiner mehr!“, beklagen sie.

Vehement weisen sie Silikon-Eingriffe an ihren Körpern von sich. Alle drei plaudern aus dem heimischen Nähkästchen, zum Beispiel, was ihre Männer anbelangt. Bärbi: „Er denkt was, i sag’s scho.“ Burgi: „I koch’ gern, er isst gern.“ Moni: „I bin total zufrieden und er sagt a nix.“ Die Männer seien schon auch mal nett, aber… Mit Unterstützung des Publikums besingen die drei die männliche „hormonelle Demenz“. Sogar der Papst rate zur Trennung – bevor der Pflegefall eintrete und die Wampe, von Burgi charmant mit „hohem Magen“ umschrieben, sich im ballonseidenen Jogginganzug weiter wölbe.

Wenn die Damen schweigen, was selten der Fall ist, dann widmen sie sich ihren Instrumenten: Ukulele, Harfe, Tuba, Posaune, Gitarre, Hackbrett und Saxofon. Und der Nonnentrompete. So wie ihr Wortwitz umhaut, so brillant klingt ihre geniale Musik: Schlager, Jazz, Filmmusik, Mozart nebst klassischer Stubnmusi – alles gekonnte Handarbeit und ohne jegliches Gehabe. Als Zugabe folgt Versöhnliches mit dem Abendlied: „Lasst uns ruhig schlafen, und unsere lieben Männer auch.“

Artikel im Original lesen (Augsburger Allgemeine)

Tags: , , ,

Bisher keine Kommentare.

Schreibe einen Kommentar

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner