Main Post: Stubenmusik gegen das Idiotentum

orgten im Stockheimer Gemeindesaal für mächtig Stimmung: die drei Wellküren (von links) Burgi, Bärbi und Moni aus der Musikerfamilie Well.

Sorgten im Stockheimer Gemeindesaal für mächtig Stimmung: die drei Wellküren (von links) Burgi, Bärbi und Moni aus der Musikerfamilie Well.

Main Post vom 30. Januar 2017 (Beitrag und Foto von Eckhard Heise)

Da war es wieder, das selbsternannte Emanzipationstrio aus Oberbayern. Zum sechsten Mal in Stockheim – und leider zum letzten Mal. Die Wellküren bildeten am Samstagabend das große Finale der Stockheimer Kulturabende, denn das Organisationsteam um Motor Wolfgang Klösel stellt seine Arbeit ein. Mit den drei „Mädels“ aus Oberbayern wollten sie es noch einmal richtig krachen lassen, und sie kamen gerne, waren sie sich doch einig: „Lieber bei minus sieben Grad in Stockheim als jetzt in Amerika.“

Ein volles Haus ist bei Moni, Burgi und Bärbi quasi obligatorisch, und die, die im Veranstaltungssaal Platz erhielten, kamen wieder auf ihre Kosten – gleichwohl der Titel „30 Jahre Wellküren“ etwas nach Wehmut klang. Gnadenlos rechnete das Trio mit seinem selbst verschuldetem Schicksal ab, wies aber auch stolz auf die Erfolge hin: Strauß überlebt, Wackersdorf verhindert, das Waldsterben beseitigt und die Berliner Mauer niedergerissen.

Schonungslos rechnen sie aber auch mit sich selbst ab, fragen männerhörig – wie nach dem Titel eines früheren Programms – „was soll ich bloß kocha“ und erkennen selbstkritisch: „Schöner bist in den 30 Jahren auch nicht geworden.“ Genüsslich wird am eigenen Ego herumgezerrt, dass es nur noch eine Rettung geben kann: die gute alte Stubenmusik, und zwar gleich in geballter Form als „Stubida“ – Stubenmusik gegen die Idiotisierung des Abendlandes.

Da gibt es denn auch keine Tabus. Von Mozarts Kammer- zur oberbayerischen Stubenmusik sind es ohnehin nur ein paar Buchstaben. Enricones „Lied vom Tod“ wird auf der Nonnengeige zum grausigen Krächzen des todgeweihten Schurken. Und mit der Bayernhymne wird fröhliches Bierzelthüpfen intoniert. Als Kontrastprogramm wird im nächsten Moment sittsame alpenländische Volksmusik auf Hackbrett, Gitarre und Harfe vorgetragen.

Doch wehe, wenn zum Gstanzl angestimmt wird. Das liebliche Volkslied wird zur Kakophonie dreier scheinbar zügellos gewordener Einzelstimmen. Während sich mit bitterbösen Attacken Bärbi und Burgi noch im Zaume halten, ergießt sich Monis Zorn in einer plärrenden Schimpftirade, vor der selbst die Wirtshauskellnerin vom Hofbräuhaus zurückschrecken würde. Die Heile-Welt-Musik der Almbauern wird durch den Inhalt der Texte in ihr Gegenteil verwandelt.

Es wäre damit vollkommen verkehrt, g’scheide Hinterfotzigkeit mit Komödiantentum zu verwechseln. Die 30 Jahre Bühnenerfahrung haben die drei erst richtig „scharf“ gemacht. Geradeaus-Polemik an der Oberfläche banaler Unterhaltungsmechanik, darüber sind die drei schon lange hinweg. Als spöttelnde Instrumental-Satirikerinnen sind sie die umgekehrte Verfeinerung urbajuwarischen Lebensgefühls. Das wird man künftig schwer vermissen in Stockheim.

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